Seit Einführung des Lettmann Akaroa im Februar 2021, erreichen uns viele Fragen zum neuen Kajak, vor allem auch, wie sich der Neue im Vergleich zum Biskaya verhält. In diesem Artikel wollen wir etwas ausholen, auf die Entstehung und die Idee beider Kajaks eingehen und die Unterschiede kurz skizzieren.
Bereits seit 2011gibt es den Biskaya. Wir wagen es mittlerweile, ihn als zeitlosen Seekajak-Klassiker zu bezeichnen. Er hat bei uns in der Kanuschule und auch bei Lettmann einen Wandel im Seekajak-Segment hervorgerufen. Die angehangene Balance-Steueranlage von Magellan, Archipel und Co. wanderte als integriertes Steuer oder Skeg in den Rumpf des Biskaya, der schräge Hecksteven sorgte für eine kernigere Seekajak-Erscheinung. Zudem war der Biskaya das erste Seekajak von Lettmann, welches in drei verschiedenen Größen, als LV, MV und HV auf den Markt kam und explizit auch als Skegboot angepriesen wurde.
Seit 2011 sind ein paar Jahre vergangen. Zehn um genau zu sein. Zehn Jahre in denen wir mit dem Biskaya mehr als zufrienden waren und noch immer sind. Wir, das sind nicht nur die Lettmänner- und Frauen, sondern auch wir von der Kanuschule und unzählige Kunden, die auf dem Biskaya paddeln gerlent oder sich mit dem Kajak in die Fluten von Mittelmeer, Ost- oder Nordsee gestürzt haben. In diesen zehn Jahren haben wir aber auch noch dazu gelernt. Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass Geschwindigkeit bei einem Seekajak nicht alles ist. Wir haben gelernt, dass die Lukengröße gerade für Einsteiger ein unfassbar wichtiges Kriterium ist und dass ein X-Cockpit (Keyhole), was wir bei einem Seekajak vor zehn Jahren als unglaublich komfortabel empfanden, mittlerweile eher klein ist. Wir haben aber auch gelernt, dass sich einige von uns in haarigen Situationen mehr Volumen im Bug wünschen. All diesen Erfahrungen und Wünschen ist 2021 der Lettmann Akaroa entstiegen. Aber beginnen wir mit ein bisschen Entsehungs-Geschichte.
Die Entstehnung des Biskaya
Wir schreiben das Jahr 2009. Es ist Dezember und wir kämpfen gegen meterhohe Wellen und Windböen bis zur Stärke neun. An meinem fast sechs Jahre alten Lettmann Nordstern ist ein Steuerseil gerissen – Wartungsstau nennt man sowas – und ich kämpfe mit aller Kraft gegen die Luvgierigkeit des Kajaks. Der Nordstern ist eines der schnellsten je gebauten, klassischen Seekajaks und die aktuelle Version hat eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich, den erste Ur-Nordstern gab es bereits im Jahre 1980. Der Nordstern hat massig Volumen, vor allem auch in seinem Unterschiff mit dem abgerundeten V-Spant. Und das wird mir gerade zum Verhängnis, denn durch dieses massive Volumen ist der Nordstern ohne funktionierendes Steuer nur schwer zu beherrschen, gerade bei Seiten- und Rückenwind. Doch warum hat der Nordstern so viel Volumen im Unterwasserschiff? Einfache Antwort: Um ihn schneller zu machen. Damit das Kajak im Sprint nicht hinten wegsackt und vorne steigt. Platziert man dann noch die Sitzluke weit vorne, wie beim Nordstern, macht dies das schnelle Kajak im Sprint noch schneller. Doch im Wind ist das alles eher von Nachteil, das Kajak wird luvgieriger als es einem lieb ist – und schreit nahezu nach dem Einsatz des Steuers, welches fein integriert im Hecksteven versenkt ist – und bei mir im Winter 2009 einfach nicht mehr funktionieren mag. Kurze Anmerkung: Ein modernes, wendiges Seekajak ist immer ein bisschen luvgierig, sonst würde das Trimmen mit Skeg und Steuer nicht funktionieren. Je mehr ein Kajak in Richtung Geschwindigkeit konstruiert wird, desto luvgrieriger wird es in der Regel bauartbedingt. Luvgierig bedeutet, dass bei Seitenwind der Bug in den Wind dreht.
Mit dieser Erfahrung trete ich 2010 an die Lettmänner heran. Ich wünsche mir so sehr ein Kajak, welches ich auch bei Wind und Welle, bei ausgefallenem Steuer oder Skeg, noch sicher in den Heimathafen bringen kann. Das gibt es zwar, ein Magellan ist deutlich weniger Luvgierig als ein Nordstern, doch ein richtiges Skegboot, ein schlankes und sportliches Seekajak in drei verschiedenen Größen, das wäre schon super. Nach einigen Diskussionsrunden stößt die Idee auch bei Klaus und Jochen auf offene Ohren. Wir beginnen also mit der Planung und schneller als gedacht geht es an den ersten Prototypen. Auf Basis des guten alten Eski 530 entsteht der erste Biskaya “MV”. Mit einem Unterschiff des heutigen LV und dem Oberschiff des heutigen MV. Doch für ein Kajak in der Klasse von ca. 75 bis 90 Kilo Fahrergewicht, so stellte sich schnell heraus, brauchen wir mehr U-Spant. Denn auch damals schon wollten wir Paddler zwar ein schmales und elegantes Schiff, allerdings keine klassische Kippelkarre, wie es zum Beispiel der rundspantige Eski 530 eine war. Nach etwas Tüftelei entsteht das Unterschiff des heutiegen MV. Einige Abende habe ich vor allem mit Klaus in seinem “Modellbau” verbracht, in amüsanten bis haarsträubenden Streitgesprächen am Freitagabend mehr “S-Schlag” erkämpft, der dann am Montagmorgen von Geisterhand wieder verschwunden war – weil Klaus einfach früher aufgestanden ist als ich und “nochmal drüber geschlafen hatte” 😉 Also ging der Kampf am Montagmorgen in Runde zwei, bis wir irgendwann einen Konsenz erziehlt hatten.
Nach einigen Prototypen, Testfahrten auf der Nordsee, auf dem Rhein und dem wilden Mittelmeer im Winter ist es dann endlich so weit. Biskaya MV und LV sind fertig. Beide Kajaks, und das ist eine ziemliches Novum bei Lettmann, werden bereits im Katalog mit Skeg angepriesen. Und, wie es sich später dann zu meiner Enttäuschung auf dem Markt durchsetzt, auch mit steuerbarem Skeg, also einer integrierten Steueranlage, die auch als Skeg verwendet werden kann. Diese Innovation hat dem Biskaya mit Sicherheit auch zum Durchbruch verholfen. Denn das Lettmann Steuer-Skeg ist das ersten steuerbaren Skeg seit der Einführung des “Lettmann Polar” im Jahre 2001 und somit das zweite auf dem gesamten Seekajak-Markt. Sogar die Engländer von P&H treten auf der Messe in Nürnberg an Lettmann heran und stellen Fragen zum Steuer-Skeg, es wird sogar über eine eventuelle Kooperation geredet, die aber nicht zustande kommt. P&H entwickelt später ein eigenes Skugger (Skeg-Rudder).
Entstanden ist mit dem Biskaya ein Kajak, dass, bei richtiger Beladung und richtigem Fahrergewicht, auch gut ohne Steuer und Skeg fahrbar ist. Es liegen Welten zwischen einem Nordstern und einem Biskaya. Trotzdem bleiben dem Biskaya sehr viele Eigenschaften erhalten, die man einem Lettmann-Seekajak schon immer zugeschrieben hat. Der Biskaya ist schnell. Und er ist wendig. Das Unterschiff ist so konzipiert, dass aus ihm keine “englische Ente” geworden ist, die bei jedem Beschleunigen das Schnäbelchen hebt und das Schwänzchen senkt und mit der man bei neun km/h vor eine imaginäre Wand fährt. Trotzdem ist der Biskaya auch weit weg von der Höchstgeschwindigkeit eines Nordstern. Das ist so gewollt, denn Geschwindigkeit und Spurtreue schließen sich ab einem gewissen Grad aus. Die Wendigkeit des Biskaya qualifiziert ihn außerdem für die Flüsse, die viele Paddler, gerade auch in NRW, gerne mit ihm paddeln möchten. Es ist ein Gerücht, dass die meisten Biskayas ausschließlich auf dem Meer gepaddelt werden. Doch ein schnelles, wendiges Kajak ist auch auf dem Rhein oder der Ruhr ein gern gepaddeltes Sportgerät. Und das schöne am Biskaya ist nach wie vor, dass man ihn nicht wie wild auf die Kante legen muss um eine Kurve zu fahren, ein Biskaya ist grundsätzlich ein wendiges Kajak. Diese Wendigkeit spielt er auch beim Brandungssurfen aus. Diese Wendigkeit ist aber auch das, was mich in manchen Situationen am Biskaya stört. Gerade auf längeren Touren, mit ordentlich Gepäck an Bord, wenn ich aufgrund der Beladung auf den größeren und voluminöseren Biskaya HV gesetzt habe, hat mir das Kajak ein wenig zu sehr geschwänzelt. Der Geradeauslauf, das ist mir immer wieder bewusst geworden, gerade bei Wind und Welle von Achtern, könnte noch besser sein. Ich bin da sehr feinfühlig. Ich spüre da sehr in mich und das Kajak hinein und fange an zu grübeln. Denn ich habe das dringende Bedürfnis, auch hervorragende Kajaks noch besser zu machen, Gott weiß warum!
Die Entstehnung des Akaroa
Als ich im Herbst 2020 mit meinem Kumpel Ise von Lefkas nach Korfu paddeln wollte, da war es windig. Es war nicht windig, es war stürmisch. Wir hatten brennend heißen Südwind und es schob uns an der Westküste Lefkadas entlang, die Kajaks surften in den langgezogenen Wellen – und sie verschwanden, tauchten ab. Bis zum Tagesstaufach. Zwar blieben wir auch dann noch im Surf als man den vorderen Toggel nicht mal mehr erahnen konnte, das Gefühl, die Spitze des Kajak nicht mehr zu sehen, war aber schon ein komisches. Das hat mir einmal mehr bestätigt: Ich will mehr Volumen im Bug, mehr Rocker, mehr Bugsteven.
Vor dieser Erfahrung auf dem Mittelmeer, nie zuvor hatte ich so starken Rückenwind und so lange Wellen von hinten, kam es zu dem zufälligen Ereignis, dass ich im Februar 2020 das erste Mal einen Lettmann Adria gepaddelt bin. Beim Schiedwettertraining auf der Nordsee. Und wir hatten Schiedwetter. Wellen. Brandung. Kenterungen. Und ich habe mich noch nie so wohl gefühlt in einem Kajak beim Retten und Bergen, beim Surfen und Wenden in der Brandung, wie im Adria. Daran erinnerte ich mich vor der Küste von Lefkada im Herbst. Und schon war der Wunsch geboren, ein Seekajak mit viel Volumen im hochgezogenen Bug zu haben, dass zudem mit viel Anfangsstabilität gesegnet ist. Vergessen war der Wunsch nach einem schmalen Unterschiff. Der Adria mit seinen 58cm surft besser als jedes andere Seekajak. Und dazu dieser wunderbar ausgeprägte U-Spant, der nicht nur für ein sicheres Gefühl in jeder Situation, sondern auch für ein hervorragendes Kanten und Manövrieren in der Welle sorgt.
Zu Hause bei Lettmann überschwämmte ich Klaus mit Lobeshümnen auf den Adria (man braucht schließlich Verbündete) und präsentierte Jochen und Martina meine Plänen für ein neues Kajak. Eins in der 525-Zentimeter-Klasse. Angesiedelt zwischen Biskaya (535-540cm) und Adria (500cm). Und da ein neuer 525er eh schon länger nötig war, rannte ich grundsätzlich offene Türen ein. Das Konzept hingegen verlangte nach mehr Überzeugungsarbeit. Kurzes Unterschiff, lange Steven, hochgezogene Nase. Das drohte ein “langsamer” 525er zu werden. Doch ich war mir meiner Sache sicher. Dieses Seekajak würde eine Lücke füllen. Es würde die Lettmann-Flotte mit außergewöhnlichen, etwas lettmann-untypischen, Fahreigenschaften bereichern.
Dann ging es an die Konstruktion. Als Vorbild diente – wie könnte es anders sein – ein Adria. Doch viel blieb von ihm nicht. Als der erste Prototyp mit dem Arbeitstitel “Adria 525 HV” fertig war, hatte das Kajak eine andere Länge, deutlich mehr Volumen und deutlich hochgezogenere Steven.
Biskaya vs. Akaroa
Geschwindigkeit – die Parade-Disziplin des Biskaya
Schon bei der ersten Prototypenfahrt auf dem Rhein verglichen wir den Prototypen des Akaroa HV mit dem Biskaya HV. Sofort war klar, dass sich diese beiden Kajaks fast so sehr voneinander unterscheiden würden, wie damals der Nordstern vom Biskaya. Im direkten Vergleich merkte man sofort, wieviel mehr Führung der Akaroa hat, wieviel wendiger der Biskaya ist, natürlich immer ohne Skeg und Steuer gefahren. Im Sprint stellte sich auch direkt heraus, dass der Biskaya hier die Nase vorn haben würde. Wie erwartet war immer der, der im Biskaya angetreten ist, eine Nasenlänge voraus. Doch merkt man diesen Geschwindigkeitsunterschied wenn man auf einer Tour in einer Gruppe paddelt? Nicht wirklich. Obwohl sich die zwei Kajaks in der Sprintgeschwindigkeit deutlich unterscheiden, so ist die normale Reisegeschwindigkeit bei beiden Kajaks ähnlich. Bei ordentlich Zug am Paddel und zusätzlichem Gegenwind merkt man allerdings schon, dass der Biskaya leichter läuft. Je rauer die See wird, je mehr der Wind von Achtern kommt, desto mehr spielt aber der Akaroa die “Karte Geradeauslauf” aus. In Spanien im März wurde der Unterschied recht schnell klar, als Nadja bei ihrem Biskaya deutlich eher zum Skeg greifen und immer wieder ein wenig nachjustieren musste, während ich im Akaroa nicht mal einen Zentimeter meines Steuerskegs im Wasser hatte. Und Nadja benutzt ihr Skeg wirklich nur, wenn es wirklich nötig ist. Bei rauer See kommt der Geschwindigkeitsvorteil des Biskaya demnach vor allem dann zum Tragen, wenn beide Kajaks mit Steuer gefahren werden.
Spurtreue bei Wind und Welle – die Kerneigenschaft des Akaroa
Der nächste Vergleich erfolgte auf der Nordsee. Das ganze Team Lettmann und das Team Outdoordirekt waren am Start. Leider hatten wir kaum Wellen. Bestes Sommerwetter mitten im Winter. Doch auch hier wurde schnell klar, dass man selbst bei einer leichten Brise seine Hand schnell am Skegschieber des Biskaya hat. Beim Akaroa verspürt man dieses Bedürfnis nicht. Bewegt man beide Kajaks durch kurze, knackige Wellen von vorne, spürt man schnell das Mehr an Volumen im Bug des Akaroa. Das Kajak läuft deutlich trockener als der Biskaya, was kein Wunder ist. Vergleicht man beide Boote an Land, sticht die hohe Nase des Akaroa sofort ins Auge. Auch im Surf taucht der Akaroa später ab, was in der Welle für mehr Dynamik und ein leichteres Umkanten sorgt.
Wendigkeit der beiden Aspiranten
Beim Spielen zwischen Felsen, vor allem bei rauer See, kann der Biskaya mit seiner Wendigkeit punkten, vor allem, wenn man auch mal bei wenig Kante ein Bugruder oder Hecksteuer setzt. Hier geht der Biskaya eindeutig besser um die Kurve und macht auch ein bisschen mehr Spaß. Kantet man jedoch den Akaroa auf den “dicken” U-Spant, so greift sofort die ausgeprägte Kante und das Kajak lässt sich ebenfalls leicht drehen. Der Akaroa ist dann wendiger als anfangs erwartet und kann im gekanteten Zustand nahezu mit dem Biskaya Schritt halten.
Kante fühlen
Ob bei der Kippunktsuche, beim C2C, der flachen Paddelstütze oder beim Trainieren aller möglichen Steuerschläge, hier macht der Biskaya richtig Spaß, er reagiert sofort auf jeden Impuls und hat einen unglaublich definierten Kippunkt, den der Akaroa sicher auch gerne hätte. Denn das breite, U-spantige Unterschiff des Akaroa kommt nach Überschreiten des Kippunktes deutlich plötzlicher zu Fall – was eine souveräne Paddelstütze wünschenswert macht. Hier erfordert der Akaroa ein wenig mehr Gefühl im Po als der Biskaya mit seinem runderen Spant. Dafür ist der Kippunkt des Akaroa grundsätzlich später erreicht, er bietet daher die höhere Anfangsstabilität.
Im Endeffekt kommt es nach wie vor auf die Wünsche des Paddlers an, welches der beiden Kajaks er bevorzugt. Klar ist aber, dass sich beide Kajaks nicht nur optisch voneinander unterscheiden. Im Folgenden habe ich noch einmal die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale herausgestellt:
Hier hat der Biskaya die Nase vorne
- schneller
- leicher und präziser zu kanten
- wendiger
- mehr Gepäckraum
- 3 Größen
Hier hat der Akaroa die Nase vorne
- spurtreuer
- neutraler im Wind
- kippstabiler
- etwas größere und bequemere Einstiegs-Luke
- surft trockener und kontrollierter
- läuft trockener über Wellen
Bilder oben: Im direkten Vergleich der Flucht-Ansicht erkennt man gut, dass der Akaroa im Unterschiff an Bug und Heck weniger Volumen hat und mehr S-Schlag, dass die Spitze aber deutlich höher gezogen ist als beim Biskaya und das Oberschiff in Bug und Heck mehr Volumen hat. Unterschiede, die sich durchaus bemerkbar machen.