Wir haben den Hafen von Igoumenitsa erreicht. Unser Blick schweift über die sanften, schroffen Ausläufer des Epirus. Hier verstecken sich einige der schönsten Flüsse Europas, nur gut eine Stunde mit dem Auto entfernt. Doch diesmal bleiben wir an Bord der „Cruise Olympia“, genießen die Sonne im Liegestuhl an der Poolbar und lassen uns noch gute zehn Stunden weiter Richtung Süden chauffieren. Denn Ziel unserer diesjährigen Griechenland-Reise ist die Halbinsel Peloponnes.
Im Hafen von Patras, nach Athen und Saloniki die drittgrößten Stadt Griechenlands, endet die Fahrt mit der Fähre. Gut erholt rollen wir am Abend von Bord und versinken im Trubel der Großstadt. Doch weit wollen wir heute nicht mehr fahren. Die Straßen zu den Südgriechischen Flüssen sind schon bei Tageslicht spannend – und die Landschaft mehr als sehenswert. Deshalb steuern wir heute den Campingplatz „Ionion Beach“ unseres Freundes Jorge bei Glyki an. Auf dem, zugegeben für Paddler fast etwas zu komfortablen, Platz lassen wir den Abend ausklingen und nehmen noch ein Bad im Meer. Anfang Mai ist dies Vergnügen allerdings nur von kurzer Dauer, das ionische Meer hat noch keine Badewannen-Temperatur.
Am nächsten Morgen weckt uns die Sonne. Die Fahrt zum ersten Fluss steht an. Doch so richtig kommen wir nicht auf Touren. Wir beschließen die Wildwasserkajaks auf dem Meer zu wassern und paddeln zur nächsten Taverne – frühstücken. Danach nutzen wir das gute Wetter noch zum Rollentraining bevor wir gemütlich unsere Sachen einpacken.
Nach knapp zwei Stunden im Auto stehen wir in Matesi. Ein gemalter Wegweiser im Dorf weist uns den Weg zum Fluss: „Alfios“ steht hier etwas unleserlich geschrieben. Doch wir sind froh auf dem richtigen Weg zu sein und fahren die steile Schotterpiste runter zum Fluss. Hier wartet ein wunderschönes, abgelegenes Wildcamp direkt am Fluss. Während wir uns mit unserem Land Rover einen Premium-Platz auf einer Kiesbank sichern, fährt sich Mark auf eben dieser mit seinem VW-Bus fest. Wir haben Spaß am Bergen des Havarierten und parken ihn auf einer Wiese direkt neben dem Kies. Nach getaner Arbeit gönnen wir uns ein Mythos-Pils und entfachen ein Lagerfeuer für das abendliche BBQ. Gerade auf dem Peloponnes ist offenes Feuer wegen steter Waldbrandgefahr zwar streng verboten, da die Griechen selbst diese Verbot aber locker auslegen, ist ein Lagerfeuer jederzeit geduldet solange man es nicht übertreibt und einen sicheren Untergrund wählt.
Warmpaddeln auf Alfios und Lousios
Wir lassen ein Auto am Camp (Ausstieg) stehen und fahren gemeinsam zum oberen Einstieg. Da der Alfios tief verborgen durch eine unzugängliche Schlucht fließt, nutzen wir den unteren Lousios als Zubringer. Der kleine Fluss entspring in einer großartigen, wohl unfahrbaren Klosterschlucht, danach folgt ein schnelles, schwieriges Stück bevor sein glasklares Wasser uns an der alten Bogenbrücke nördlich von Karitea den Einstieg zum Alfios ermöglicht. Auf Wildwasser II geht es Richtung Alfios, den wir nach einer guten halben Stunde erreichen.
Das Wasser des Alfios ist trüber als das des Lousios. Trotzdem bleibt die Landschaft traumhaft schön. Lange offene Abschnitte wechseln sich mit engen Klammstücken ab. Das Wildwasser erreicht nur selten den dritten Grad, nur an zwei Stellen wird es noch schwieriger. Der Hexenkessel und der Mahlzahn sind je nach Wasserstand einzelstellen im Bereich WW III+ bis IV, wobei man gerade in der zweiten Stelle immer auch auf Holz achten sollte. Beide Stellen sind aber sehr leicht am Ufer zu umtragen. Nach dem Mahlzahn wir es wieder leichter, Zeit die Landschaft zu genießen. Bis zum Ende der Etappe folgen keine weiteren Schwierigkeiten. Lediglich den Ausstieg sollte man sich vor der Tour gut einprägen, will man nicht die vierzig Kilometer Wanderfahrt bis in das antike Olympia auf sich nehmen um dort die Ausgrabungen der wohl berühmtesten Stätte Griechenlands bewundern zu können. Ein Besuch Olympias lohnt aber auf alle Fälle, nur sollte man die Anreise besser mit dem Auto bewerkstelligen.
Nach dem Alfios verlassen wir unser Wildcamp und fahren zum Einstieg des oberen Lousios. Hier campen wir direkt an den Ausgraben des Antiken Gortis und unternehmen eine kleine Wanderung in die Klosterschlucht. Hoch an den steilen Felswänden thronen die Bauwerke wie Adler-Horste auf den Felstürmen. Während unserer Wanderung können wir ab und zu einen Blick auf den jungen Lousios erhaschen, das glasklare Wasser verschwindet rauschend zwischen Felsen und in engen Klammen.
Auf zum Erymanthos
Der Erymanthos ist ein weiterer Klassiker der in keinem Fahrtenbuch fehlen sollte. Doch für die Fahrt vom Alfios ins Erymanthosgebirge sollte man sich einen ganzen Tag Zeit nehmen. Denn gerade die Wege bis zum Fluss sind nicht eindeutig, ein GPS und etwas Geduld sind von Vorteil. Oft verzweigen sich die Schotterpisten mitten im Wald, natürlich ohne Schilder. Doch wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein wenig Bauchgefühl gekoppelt mit dem hellen Verstand des Expeditionisten ohne Umschweife zum Ausstieg des unteren Erymanthos führt. Hier gibt es die Möglichkeit zu campen, ein kleines, sehr urtümliches Lokal verwöhnt einen gerne mit einheimischen Improvisations-Menüs. Ebenfalls gibt es ein sehr schönes Wildcamp direkt am Einstieg des unteren Erymanthos, den wir uns auch als erste Etappe vorgenommen haben.
Auf gut dreizehn Kilometern geht es durch eine beeindruckende Konglomerat-Schlucht, die nur selten von offenen Abschnitten unterbrochen wird. Zwar bewegt sich alles im II. und III. Schwierigkeitsgrad, es ist aber immer mit Holz in den Klammen zu rechnen. Es kann sich also hier und da lohnen auszusteigen um einen Blick vom Ufer in die Schluchten zu riskieren.
Nach dem Konglomerat-Canyon wird es leicht, die herrliche Landschaft lädt zum verweilen ein. Quellen strömen von links in den Fluss. Bald ist der Ausstieg erreicht.
Oberer Erymanthos
Durch die großartige Landschaft des Erymanthos-Gebirges fahren wir weiter zum Oberlauf des Flusses. Nur sattelfesten Paddlern ist diese abgelegene Etappe vorenthalten. Zwar sind die Schwierigkeiten hauptsächlich im Bereich drei und vier angesiedelt, doch die Ausgesetztheit und die teils unübersichtlichen Passagen erfordern, gerade bei höheren Wasserständen, starke Nerven und etwas Improvisations-Vermögen.
Bei hohem Wasserstand werden beide Etappen auf dem Erymanthos schneller und deutlich schwerer als hier beschrieben!
Die Perle des Peloponnes – der Selinous
Nach der Erymanthos-Befahrung geht es für uns in Richtung Nord-Peloponnes. Der Selinous steht auf dem Plan. Einheimische berichten uns von einem hohen Wasserstand. Wir wollen keine Zeit verlieren und schaffen es in knapp zwei Stunden bis nach Aegio. In der, für griechische Verhältnisse, recht großen Stadt können wir gemütlich zu Abend essen und unsere Vorräte aufstocken bevor wir uns zum Ausstieg der Standard-Etappe ins Hinterland schlagen. Wir kommen an unansehnlichen Flussverbauungen vorbei, was die Vorfreude auf den Fluss ein wenig mindert. Doch das wilde Camp direkt am Fluss macht alles wieder vergessen. Wir fahren in das großzügige Kiesbett des Selinous ein und entfachen wieder einmal ein gemütliches Feuer. Der Sternenhimmel leuchtet über uns, die Grillen zirpen – so soll es sein!
Am nächsten Morgen besucht uns Mikos. Er erzählt uns, dass er für die Erhaltung der Natur des Selinous kämpft und wünscht uns viel Spaß bei der Befahrung – natürlich nicht, ohne uns vor den reißenden Strömungen und den unfahrbaren Stellen des Flusses zu warnen.
Zirka eineinhalb Stunden fahren wir vom Camp zum Einstieg. Auch hier bringt uns ein kleiner Zufluss zum eigentlichen Hauptfluss. Der Pegel ist satt, auf dem Zubringer warten schon die ersten Herausforderungen in Form von Baumverhauen auf uns. Doch alles geht gut und knapp eine Stunde später paddeln wir auf dem grünen Wasser des Selinous durch eine herrliche Schluchtenlandschaft. Die Sonne scheint und der Himmel ist typisch griechisch-blau.
Wir kommen an die erste Kernstelle, zügig geht es über eine kleine Stufe bevor wir linksufrig aussteigen und eine unangenehme Stelle umtragen. Wieder im Boot presst es uns durch eine Engstelle bevor es wieder leichter wird. Doch nach kurzer Pause geht es noch einmal richtig los. Verblockte Stellen, die bei unserem Wasserstand sportlich aber fair sind, leiten einen langen Katarakt mit einer kernigen Abschluss-Stufe ein. Die schwerste Stelle auf dem Selinous (WW 5) ist geschafft. Nach einer ausgedehnten Pause auf einer der vielen Kiesbänke geht es auf spritzigem Spaß-Wildwasser dem Mittelmeer entgegen. Ruhige Klammen und offene Abschnitte wechseln sich ab, langweilig wird es nie!
Kurz vor dem Ausstieg am alten Kieswerk ist noch einmal Vorsicht geboten. Ein ca. fünf Meter hohes Wehr will links umtragen werden. Ein Befahren würde im besten Fall im Krankenhaus enden. Wir steigen nach einer ebenso gefährlichen wie improvisierten Brücke aus alten LKW-Anhängern wieder ein und paddeln die restliche Strecke bis zu unserem Camp. Auch wenn diese letzten Meter zwischen Wehr und der improvisierten Brücke an Hässlichkeit kaum zu überbieten sind, so zählt der restliche Selinous für uns doch zu den schönsten und vor allem sportlichsten Flüssen Griechenlands.
Weiter Richtung Festland
Da wir nun die Perlen des Peloponnes abgegrast haben, beschließen wir über die große Patras-Brücke weiter in den Norden zu fahren. Auf dem Festland warten zwischen Golf von Patras und dem großen Stausee des Acheloos weitere schöne Flüsse auf uns.