Zugegeben, richtig viel sind wir nicht gepaddelt in Neuseeland im Winter 2022/2023. Überschwemmungen auf der Nordinsel und Dürre auf der Südinsel sind dabei nur zwei Gründe. Doch als das Thermometer Mitte Januar auf der Südinsel die 30-Grad-Marke geknackt hat, war es fürs Mountainbike und Wandern schier zu heiß. Was ein Glück, dass wir uns gerade in der Nähe von Queenstown befanden. In einer wüstenähnlichen Landschaft zwischen besagter Abenteuersport-Metropole und der kleinen Ortschaft Cromwell. Hier entwässert der wasserreiche Kawarau den Lake Wakatipu, den die beeindruckenden Gipfel der Neuseeländischen Südalpen speisen. Die Landschaft hier ist einfach nur beeindruckend.
Doch nicht nur bei Paddlern ist der Kawarau beliebt. Hier fand der erste kommerzielle, durch AJ Hacket durchgeführte, Bungee-Jump der Welt statt. Die alte Brücke über den Kawarau ist noch immer Schauplatz dieser spektakulären Stunts. Wer besonders kühn ist, der kann den Sprung so berechnen lassen, dass er mit dem Kopf voran im erfrischenden Wasser des Flusses landet, wo er dann von zwei Guides im Raft aufgefischt wird. Auch wir haben diesem Spektakel vom Kajak aus einige Minuten beigewohnt. Natürlich kann man am Kawarau auch Raften oder als Kaulquappe, mit einem so genannten “River Bug”, einen Teil der spektakulären Kawarau-Gorge, den Rouring-Mag-Abschnitt, bezwingen. Quennstown und Umgebung ist bekannt für seine adranalinsüchtigen Besucher aus aller Welt und hat sich auf diese eingestellt.
Wer es ruhiger mag: “The Dessert”, die Wüste, wie die Gegend zu Recht auch genannt wird, ist bekannt für ihre vielen Weine, die ebenso trocken sind wie die Landschaft rings um den Fluss. Sogar Olivenplantagen gibt es hier. Diese raue Landschaft kann man auch über ein gut ausgebautes Fahrradwege-Netz erkunden.
Bilder unten: Eine Oase in der Wüste: Der fast smaragdene Kawarau wirkt im trockenen Sommer wie die Lebensader der Region und fließt zwischen Weinanbaugebieten und alten Bergbaugebieten durch eine wüstenähnliche Landschaft. Unten rechts die Bungee-Brücke von AJ Hacket.
Wir waren bei unseren vergangenen Besuchen hauptsächlich zum Mountainbiken in Queenstown. Doch dieses Jahr ist es besonders heiß und trocken, das biken somit kein Vergnügen. Da kam die Einladung unseres alten Kumpel Michael, der vor über zwanzig Jahren nach Neuseeland ausgewandert ist, nur recht. Kurzum trafen wir ihn zur “Roaring Meg Night”, einem Treffen, welches jedem Dienstag im Sommer stattfindet und dem immer eine Gang mit bis zu 40 Paddlern beiwohnt. So sind wir zu unserer ersten Kawarau-Befahrung gekommen – und haben die nächsten drei Tage nichts anderes getan, als den Fluss kopfauf, kopfab zu bepaddeln.
Roaring Meg
Es war nicht schwer für Michael, uns in der legendären “Roaring Meg Night” mit dem Kawarau zu infizieren. Schließlich war nicht nur der Fluss erste Sahne. Im Anschluss an das Paddeln gab es auch noch Fritten und Pale Ale für alle im Pub. Doch letzteres ist nur das Sahnehäubchen. Der Fluss ist wie gemacht für uns und unsere Macheten. Denn mit gut 150 Kubik war der Kawarau sommerlich locker eingeschenkt, Wasserstände bis 800 Kubik sind möglich und wohl auch fahrbar. Doch auch bei unserem Pegel war der Bach noch schön wuchtig und wartete mit erfrischenden Wellen und Walzen auf. Das verrückteste an der Sektion ist allerdings die Geologie. Auf den gesamten sechs Kilometern des Abschnitts befindet man sich in einer, zugegeben recht üppigen, Klamm. Senkrechte Felswände, die Nahtlos in die schroffen Hänge einer trockenen Großschlucht übergehen – fast wie bei Winnetou. Trotzdem sind die Kehrwasser üppig und die Schwierigkeiten mit WW III-IV überschaubar. Wenn auch gewöhnungsbedürftig. Da sich die 150 Kubik die ganze Zeit durch die Klamm zwängen, pilzt und blubbert es an jeder Ecke. Und das ist auch das Geile! Denn nirgends haben wir so endlos lange pirouettiert und senkrecht im Bach gestanden. Mein Muskelkater in den Bauchmuskeln sagte mir am nächsten Morgen, dass ich fast den ganzen Bach auf dem Heck stehend bepaddelt haben muss. Wie allerdings auch die Meisten unserer Gruppe. Neben den vielen Verschneidungen und Surfwellen gibt es allerdings auch einige seriöse Walzen, so etwa das “Men Eater” Loch, welches besser auf sicherer Linie rechts oder links umfahren wird. Im großen und Ganzen ist Roaring Meg aber von sicheren WW III+-Paddlern zu befahren, zumindest solange die Rolle sitzt.
Bilder unten: Roaring Meg pfeifft durch die enge Kawarau Gorge. Mit einigen spektakulären Stellen, vor allem aber mit unendlichem Potenzial für Kerzen und Surfs.
Dogleg Run
Nachdem wir am Abend den Roaring Meg kennenlernen durften, hatte Michael noch den Tipp “Dogleg Run” für uns. Dieser Abschnitt ist laut Flussführer noch ein kleines bisschen sportlicher als Roaring Meg. Was wir nicht bestätigen können. Bis auf wenige kurze Wave Trains geht es eher gemütlich daher. Jedoch ist die Landschaft fast noch beeindruckender, deshalb wurden hier auch einige Szenen für “Herr der Ringe” gedreht. Außerdem fährt man kurz nach dem Einstieg unter der Kawarau Bungee Brücke durch und kann den Irren beim Freifall zusehen.
Highlight ist neben den geilen Kerzel- und Pirouettier-Stellen der namensgebene “Dogleg-Rapid”. Hier sammelt sich das ganze Wasser zu einer großartigen Welle/Walze, die mal aufmacht, sich dann aber wieder wie eine Auster schließt und den Paddler umklammert. Diese ohne Überschlag mit dem Half Slice zu durchbrechen – eigentlich nicht möglich. Doch der Platz danach reicht im Zweifel für zweihundert Rollversuche, bis es dann in den zweiten Teil der großen Stromschnelle geht. Dann sollte man spätestens wieder Kopf oben sein.
Bilder unten: Dogleg ist ein wunderbarer Playrun in einer großartigen Schlucht. Die Landschaft ist einfach überwältigend, das Wildwasser genau die richtige Mischung aus Spiel, Spaß und der einen oder anderen Herausforderung.
Nevis Bluff
Bevor hier noch Fragen aufkommen. Nein, wir haben es nicht getan. Nevis Bluff ist eine einzige, lange und gewaltige Stromschnelle, die sich im Anschluss an den Dogleg-Run anschließt. Bewertet mit Wildwasser V und VI ist das nichts für zwischendurch. Natürlich gibt es schon viele Befahrungen dieser sagenumwobenen Rapids. Doch in dieses Gipfelbuch können wir uns nicht eintragen. Gerne mal googlen. Obwohl, eigentlich, die Rolle sitzt ja sehr zuverlässig 😉
Ähnlich verhält es sich übrigens mit den berüchtigten Citroen-Rapids….
Wir haben die Zeit am Kawarau sehr genossen, die wärmsten Tages unseres Neuseeland-Aufentahls sinnvoll genutzt und ziehen nun weiter auf die Nordinsel. Zum Kaituna. Und Wairoa. Jippijajäh!