Wir kommen ja bekanntlich viel rum. Und nicht nur mit dem Kajak sind wir unterwegs, auch mit dem Mountainbike. Aber wem sage ich das. Der findige Leser unseres Blogs wird dies durchaus schon mitbekommen haben. Und normalerweise bilden wir uns über Gegenden, die wir bereisen, auch schnell ein Urteil. Oft gibt es nur zwei Kategorien: geht und geht nicht. Schwieriger ist das bei Norwegen. Klar, für Kajakfahrer, Wildwasserhelden und diejenigen, die es werden wollen, ist Norwegen ein wahres Mekka, daran gibt es keinen Zweifel. Aber für Mountainbiker? Vor einigen Jahren gab es im Land der Trolle fast keine Trails, nix war bei Trailforks oder den anderen einschlägigen Apps und Portalen zu finden. Manch Flasche Wein mussten wir opfern, um den Locals Insider-Infos zu entlocken. Das war wild und explorativ und jeder neue Trail war wie ein Schatz, den wir aus den Tiefen der norwegischen Wälder gehoben haben. Das ist noch gar nicht lange her, ein paar Jahre vielleicht. Wir fuhr damals keineswegs auf geshapten Trails, sondern auf ruppigen Wanderwegen. Hoch aufs Fjell und zurück gen Tale. Und so ist das auch heute noch häufig. Auch die bei Trailforks und Co. veröffentlichen Trails führen häufig voll durch die Pampa. Über steinige Wege, die nur selten Flow aufkommen lassen. Schweißtreibend ist es im feuchten Immergrün, man ist nach wenigen Minuten durchnässt vom Schweiß, hat komplett durchsiffte Schuhe vom pitschnassen Boden und von den ständigen Matsch-Pfützen, in denen das gesamte Vorderrat mancherorts komplett ohne Vorwarnung verschwindet. Will man dann ein Päusken machen, denn das hat man sich schließlich verdient, dann ist es entweder saukalt (im Wind oben auf dem Berg) oder man wird von Mücken und Fliegen zerfressen (unten im Wald).
Bilder oben: Da fragt man sich schon, was man vom feuchten Grün der norwegischen Pampa halten soll.
Schlägt man sich so durch den Wald, wird man aber auch immer wieder überrascht. Nachdem man den Hügel bereits gen Norden auf einem der schweißtreibenden Mistwege abwechselnd runter geholpert und rauf geschoben ist, kommt auf der Südseite desselben Hangs plötzlich ein Superduper-Trail zum Vorschein, der alles bietet was man sucht. Steile Passagen über Grundgestein, Abfahrten mit freundlichem Auslauf, dazwischen Wurzeln und Fels für das wahre Trailvergnügen mit echtem Flow.
Bilder oben: Gar nicht ungefährlich: Überall in den Wäldern lauern neben feuchten Wurzel-Teppichen auch wilde Tiere.
Dann sind da noch die Bikeparks mit künstlich angelegten Strecken. Hier ist alles anders. Hier könnte man denken, der norwegische Biker hege einen bodenlosen Hass auf seine Natur. Denn hier wird alles planiert, was die Federgabel auch nur einen Zentimeter zum Eintauchen nötigen könnte. Kein Würzelchen, kein unpolierter Stein, soll sich in den Weg des Bikers stellen. Zur Rechtfertigung des fetten Enduros oder Downhillers ballert man dann dicke Steilkurven und mannshohe Drops in den Trail. Wir haben noch keinen Bikepark entdeckt, in dem man als normaler Trailbiker auf seine Kosten kommt. Auch Schotterpisten, die man besser mit dem Gravel- als mit dem Mountainbike befahren sollte, werden als blaue Trails auch für fortgeschrittene Biker empfohlen. Hier haben wir MTBs mit Kindersitzen (mit Kind drin) und Gepäckträgern überholt. Rote Trails hingegen sind komplett unberechenbar. Einmal liegen diese mitten im Wald und sind völlig unbefahrbar nach Regen, weil die Wurzeln und Steine sauglatt werden. Mal langweilt man sich zu Tode, weil es wie auf dem geschotterten Waldweg ganz gemütlich bergab geht.
Apropro Regen: den gibt es ja in Norwegen auch ab und an. Infos, ob sich ein Trail bei Regen eignet oder nicht? Pustekuchen. Das findet man am besten selber heraus, indem man so nach 700 Höhenmetern auf einen reinen Wurzelteppich abbiegt und nach unten schlittert, während man sich dabei erwischt, dass man sich zum zweihundertsten Mal nach Finale Ligure wünscht. Apropro Finale. Nicht wenig gestaunt haben wir, als wir vom norwegischen Nesbyen als dem norwegischen Vinschgau gelesen haben. Lasst euch nicht ins Boxhorn jagen. Ja, ich weiß: Finale ist nicht das Vinschgau, beide Reviere sind aber mit die besten in Europa – und Nesbyen überzeugt allein durch das nette Café neben dem guten Radel-Laden und durch den vorhandenen Shuttle-Service. Letzteren braucht es auch, sonst ärgert man sich nur, dass man für die Trails seinen Schweiß beim hoch pedalieren vergossen hat.
Bilder oben: Tot-geschotterte Trails in Nesbyen. Aber herrliche Landschaft da oben. Das starke Shuttle-Fahrzeug überzeugt durch seine bequemen Ballonreifen.
Doch dann sind da wieder die Momente. Wenn du bei Sonnenschein vom Berg blickst, vor dir achthundert Tiefenmeter. Du beginnst den Trail auf blankem Fels, bevor du auf ihm in den Wald abtauchst und steil, steiler, am steilsten zu Tale rauscht. Zum Beispiel auf den hochgelobten Trails im Sognedal oder oberhalb der wuseligen Siedlung Lom, am Rande des Jotunheim Nationalparks. Danach ein gutes Sofeis als Belohnung – Hammer!
Bilder oben: Schweißtreibend! Den beliebtesten Trail im Sognedal, den “Storehaugfjell”, haben wir bei Sonnenschein angetreten. Die letzten drei Kilometer des Uphill machen über 500 Höhenmeter. Glücklich ist, wer mindestens zwei Liter Wasser dabei hat oder eine Quelle am Wegesrand erspäht. Beim Downhill ist man wieder einmal zwiegespalten – teilweise führt auch er wieder über grobes Gestein und sumpfige Wurzel-Passagen gen Tale. Eine Belohnung für die strapaziösen 1200 Höhenmeter Uphill sieht irgendwie anders aus.
Fazit? Gibt es nicht. Es wird eine Fortsetzung geben, denn noch sind wir mittendrin, in Norwegen. Und wir werden weiter radeln. Und wenn wir was richtig gutes entdecken, werden wir berichten. Es ist ja nicht alles schlecht. Zum Beispiel das Wetter. Ab heute scheint die Sonne wieder auf die Trails und macht aus den Rutschbahnen ruppige Trails. So wie wir es lieben 😉