Die Alpen bieten uns eine unglaubliche Vielzahl an Flüssen. Klein und steil oder groß und wuchtig, für jeden Geschmack ist was dabei. Doch logistisch stellt einen ein Roadtrip entlang der Alpen-Nordseite im Sommer vor eine Herausforderung. Denn die Flüsse haben sehr unterschiedliche Fenster, in denen eine Befahrung besonders lohnend ist. So sind viele kleinere Flüsse außerhalb der regulären Zeit der Schneeschmelze abhängig von Niederschlägen und bei anhaltendem Sonnenschein trocken. Andere Flüsse, wie etwa die Ötz oder der Inn, blühen erst bei heißen Temperaturen so richtig auf. Dann bringt die Sonne die Gletscher zum schmelzen und schnell hat man auch mal zu viel Wasser im Bach…
Start im Inntal
Wir starten unseren Trip in einem der wassersichersten Ziele der Nordalpen, im Engadin. Hier auf dem Campingplatz in Strada sind wir die einzigen Gäste. Es ist Anfang Juli und noch totale Nebensaison. Wir freuen uns, denn wir haben nicht nur den Campingplatz für uns allein, sondern auch grandioses Wetter mit nahezu dreißig Grad und damit steigende Pegel auf dem Inn. Denn sein Wasser generiert der Inn aus Zuflüssen und Gletschen, die teilweise auf bis zu 4000 Metern Höhe liegen. Trotzdem sind wir weit entfernt von einem sommerlichen Hochwasser. Die Wasserfarbe ist noch klar bis blau, mit knapp dreißig Kubik haben wir niedriges Mittelwasser. Aber bei einem solchen Wasserstand sind die Strecken auf dem Inn auch am schönsten: technisch interessant aber nicht schrabbelig. Nachdem wir uns auf der Scoul-Strecke eingepaddelt und ein außerordentliches Boof-Training eingelegt haben, nehmen wir am Abend noch die Giarsun-Schlucht unter den Kiel. Unsere Teilnehmer sind fit auf WW III und können astrein rollen. So entpuppt sich die Giarsun im Abendlicht als reiner Joyride. Obwohl Philip und ich am Ausstieg lange Arme haben, hängen wir zwei noch die Ardez-Schlucht hinten dran. Mit Wildwasser vier ist sie einen Tacken schwerer, wenn man die Linien durch die verblockten Katarakte und über die Stufen kennt, hat man den schweren Teil aber nach gut dreißig Minuten abgehakt und sich einen weiteren Teller Nudel verdient.
Bilder: Auf dem Inn
Landeck
Ziel dieses Nordalpen-Roadtrips: Den Teilnehmern möglichst viele Reviere und Flüsse zeigen. Da darf Landeck nicht fehlen. Auf dem Weg vom Engadin nehmen wir die Tösener Schlucht mit. Sie bietet offenes, wuchtiges Wildwasser. Leider ist der spannende Teil schnell vorüber und wir cruisen auf leichtem Wildwasser in Richtung Ausstieg. In Landeck selbst kehren wir auf eine Brotzeit ein, bevor wir uns auf die Sanna begeben. Früher war sie der Parade-Spielfluss der Alpen, das Hochwasser 2005 hat sie leider komplett ummodelliert und mit Kies aufgefüllt. Mittlerweile ist das Flussbett allerdings wieder frei gespült und sie macht wieder richtig Spaß! Allerdings wurden die Stellen wie das Schiefe Ecke und der Pianser Schwall durch das Hochwasser entschärft, so dass wir uns auf WW III entspant austoben können. Am Abend verlassen wir Landeck und fahren zum Campen und zur Pizza ins Ötztal.
Bilder: Auf der Sanna
Ötztal und Lofer
Die zweite warme Nacht in Folge lässt den Ötz-Pegel ansteigen. Hochwasser auf allen Strecken. Da wir in den letzten Tagen die Stärken und Schwächen unserer Mitreisenden ausgearbeitet haben, nehmen wir Abstand von einer Befahrung. Ein eventueller Schwimmer auf der wuchtigen Ötz könnte die Freude arg mindern. Wir entschließen schweren Herzens nach Lofer zu fahren und mit gezieltem Technik-Training an den Boof- und Schanz-Techniken zu arbeiten. Auf der Slalomsstrecke gibt es dazu unzählige Möglichkeiten.
Bilder: Hartes Training auf der Saalach
Salzkammergut
Lammer I
Die Pegel sinken. Nein, nicht in Lofer, aber im Salzkammergut. Noch haben Lammer und Koppentraun ausreichend Wasser. Zwar wenig, aber genug um diese beiden Klassiker kennenzulernen. Wir fahren also von Lofer nach Abtenau, wo wir direkt an der Lammer unser Camp aufschlagen. Um uns die gute Pizza im Restaurant :::: zu verdienen, müssen wir aber noch was paddeln. Wir setzten in der Voglauer-Schlucht ein und intensivieren unser Boof-Training. Gut vorbereitet geht es in die spannenden Lammeröfen. Öfen bezeichnen in Österreich Klammen, die oben nahezu geschlossen sind. Über drei aufeinander folgende Walzen geht es in die Öfen, die auch Dunkelklamm genannt werden – ein grandioser Auftakt der Lammerklamm. Danach öffnet die Klamm und es wird wieder hell. Doch nur eine Minute später verdunkeln sich die Gesichtszüge. Der schwerste Katarakt der Lammer liegt vor uns. Erst scheint eine Befahrung unwahrscheinlich, doch nach ausgiebiger Besichtigung und Besprechung der Linie, sind alle motiviert. Die Befahrung einwandfrei und schon befinden wir uns im letzten Abschnitt der Lammerklamm, wo sich das Wasser teilweise wie in einer Wasserrutsche durch die Schlucht presst. Linke Kante, rechte Kante, voll ins Prallpolster und noch ein kleiner Boof hinten dran. Nur die letzte Stelle, der kleine Schlitz unter der Lammerklamm-Brücke irritiert unsere Freunde. Nur Nadja, Philip und ich fahren, die anderen tragen lieber. Die Stelle ist aber auch komisch, nur Nadja kommt immer ohne Geschepper durch den Spalt. Philip und ich hampeln hier ein wenig rum…
Am Ausstieg sind alle gestoked. Die Lammer hat mal wieder ihren Status als Weltklasse-Fluss unterstrichen. Alle sind mega-happy! Und hungrig. Ab zu Pizza und Kässpätzle!
Wir traun uns auf die Koppentraun, denn die Koppentraun ist uns zuzutraun…
Noch hat sie Wasser. Niedrigwasser zwar, aber immerhin. Also schnell nach Bad Aussee, wo die interessanteste Strecke der Traun beginnt. Auf neuen Kilometern hat die Koppentraun unzählige schöne Stellen zu bieten. Lediglich zwei Kernstellen lassen das Herz schneller schlagen, der Rest ist bei unserem Wasserstand Genuss-Wildwasser im driten Grad. Di erste Kernstelle, das “Gschaute”, schauen wir an. Der Name suggeriert dies schließlich. Alles läuft und so sparen wir uns die Besichtigung der schwereren der beiden Stellen, des “Ungschauten”… Auch hier läuft es, auch wenn die Backen schon ein bisschen mehr aufgeblasen werden während wir uns zwischen dicken Felsen den Weg durch das Chaos suchen. Nach dieser Stelle nehmen die Schwierigkeiten ab, es wird aber nicht langweilig. Am Ausstieg gönnen wir uns ein lecker Stück Kuchen und einen Kaffee, bevor wir den Heimweg nach Abtenau antreten.
Lammer II
Die Koppi ist gut angekommen. Doch die Lammer war cooler… So die allgemeine Stimmung. Da erst für übermorgen wieder Starkregen angesagt ist, uns somit die Chance auf die Kleinflüsse des Salzkammerguts steigt, überbrücken wir den Tag vor dem Regen mit den Lammeröfen. Allerdings wollen wir vorher eine Theorie-Einheit zum Thema Sicherheit einbauen. Vor allem der Aufbau eines mehrfachen Flaschenzugs steht auf dem Programm.
Nach der Theorie geht es in die Öfen. Wieder besichtigen wir den längeren Katarakt. Wie durch ein Wunder hat sich ein Baum quer in diese Kernstelle gelegt. Der war zwei Tage vorher noch nicht da. Wie praktisch, besser hätten wir es nicht inszinieren können. Schnell bauen wir den Flaschenzug auf uns beseitigen das störende Objekt. Bahn frei – paddeln. Heute machen wir noch zwei Runs durch die Öfen, dann is genug. Es beginnt auch schon zu regnen, die Spannung steigt. reicht der Niederschlag für Gimbach und Co?
Bilder: Lammer und Koppi
Mitterweißenbach
Heute haben wir ein kleines bisschen Pech. Obwohl wir eigentlich sauviel Glück haben, dass der Regen tatsächlich für den Gimbach gereicht hat. Doch beim hochlaufen entdecken wir einen wirklich fiesen Baumverhau in einer der letzten Stellen. Obwohl wir ausgiebig scouten, können wir die Stelle nicht so einsehen, dass wir mit gutem Gewissen sagen können, dass man sie ohne den Einsatz diverser Seile und Klettertechniken umtragen kann. Schweren Herzens entscheiden wie uns zum Abbruch der Aktion und weichen auf den Mitterweißenbach aus. Zwar bietet dieser nur leichtes Wildwasser im zweiten und dritten Grad, doch die malerische Niedrigklamm ist trotzdem eine Befahrung wert. Vergleiche zur slowenischen Koritnica werden gezogen, aber auch die Oker im Harz kommt ins Spiel. Gerade bei der Lichtstimmung und bei dem Nebel der aus dem feuchten Uferbewuchs aufsteigt, ist die Koritnica gar nicht so abwegig…
Bilder: Mitterweißenbach
Brandy
Was ein Glück! Auch auf der anderen Inn-Seite, in den bayrischen Alpen, hat es geregnet. Doch noch ist zu viel Wasser auf der Brandenberger Ache. Wir verbringen die Nacht noch einmal in Abtenau, dann können wir theoretisch auch noch einmal auf die Koppi bei mehr Wasser, sollte der Brandy-Pegel sich nicht einpendeln. Doch wir haben wieder Glück, das Wasser fällt und wir können unseren letzten Paddeltag auf der Brandenberger verbringen. An der Pinegg-Stufe optimieren wir die in den letzten Tagen erlernten Boof-Techniken. Jeder trägt sicherlich zehn Mal wieder hoch um erneut am Boof zu feilen. Danach sind alle ziemlich platt, acht Tage Paddeln am Stück machen sich bemerkbar. Obwohl wir geplant haben noch Saugraben zu paddeln, ist nach der Pinegg die Luft raus. Auch nicht schlimm, so können Philip und ich noch meine Lieblings-Strecke, die Tiefenbachklamm in Angriff nehmen. Gut eine Stunde später sitzen wir am Ausstieg und freuen uns über den gelungenen Alpen-Roadtrip 2018. Jippijajäh!
Bilder: Brandy